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Unterrichten

3.2 Das Lernen lehren

Lernstile / Lehrstile

 

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Inhalt:
  1. Einführung
  2. Lerntypen / Lehrtypen
  3. Lernstile / Lehrstile

1. Einführung

Während man in der amerikanischen Literatur sehr häufig den Begriff Lernstile hört, wird in Deutschland auf Frederik Vester zurückgehend der Begriff Lerntypen verwendet. Oft werden beide Begriffe gleichgesetzt, obwohl sie Verschiedenes bedeuten.

2. Lerntypen/ Lehrtypen

F. Vester machte 1975 mit seinem Buch: "Denken - Lernen - Vergessen" als erster in Deutschland die Ergebnisse der Hirnforschung der breiten Öffentlichkeit zugänglich. Er unterschied nach den Wahrnehmungs-/ Eingangskanälen 3 Lerntypen:

  1. Lerntyp: der Auditive - lernt durch Sprechen und Hören
  2. Lerntyp:der Optisch/Visuelle - lernt durch Sehen
  3. Lerntyp: der Haptische - lernt durch Berühren, Machen

Sein vierter Lerntyp:

    der Intellektuelle - versteht.

Dieser vierte Lerntyp nach Vester ist auf einer ganz anderen Ebene der - nämlich auf der der Verarbeitung - angesiedelt.
Sehen wir uns die Unterschiede genauer an: Während die ersten drei nach der Aufnahme von Reizen bzw. deren Abruf charakterisiert werden, bezieht sich scheinbar der 4. sehr abstrakt auf das Verstehen.
Hier wird Vester nun vorgeworfen, dass er bei den ersten 3 Lerntypen die Verstehensleistung unterschlage.
Aus Reproduktionsexperimenten - siehe gängige Lerntypentests - so ein weiterer Kritikpunkt, lasse sich nichts über die Qualität den Vorgang des Denkens und Verstehens aussagen. Auch die Beispiele, die Vester in seinem Buch bringt, seien in diesem Sinne nicht eindeutig.

Zur Kritik

"Sinnesdaten werden vom Gehirn gespeichert. Wir haben mental eine Vorstellung davon, wie die Dinge klingen, aussehen, riechen, sich anfühlen oder schmecken. Individuell unterschiedlich ist die Ausprägung dieser Vorstellungen, d.h. die Behaltensleistung kann durch die Art der Wahrnehmung beeinflusst werden. Die Beliebtheit der Vesterschen Lerntypen und die daraus entstandenen Didaktiken scheinen Aufschluss über die Art und Weise schulischen Lernens zu geben. Wenn es um reproduzierbares Wissen, um Auswendiglernen geht, können aus den Lerntypen abgeleitete und vermittelte Strategien des Lernens durchaus nützlich und ausreichend sein. Sobald jedoch komplexere Lernleistungen erwartet werden, reicht diese Form des Unterrichtens nicht aus. Möglicherweise spiegeln Untersuchungen wie die TIMS-Studie den Zustand unserer Schulen wider. Statt Problemlösung zu fordern und einzuüben begnügt man sich mit Einprägen und Wiedergabe von Wissen."

Looß, Maike : "Lerntypen? - Ein pädagogisches Konstrukt auf dem Prüfstein."
Die Deutsche Schule, 93, Jg.2001, H.2

Links: Schulberatung NRW Lerntypentheorie

Das vor 30 Jahren erschienen Buch ist sicher in einigen Teilen überholt, doch lenkte es damals zum ersten Mal die Aufmerksamkeit der Lehrenden auf die Wichtigkeit der Darbietungsformen.
Der Appell der Kritiker an das "Denken und Verstehen" allein, bietet jedoch keine Anschlussfunktion.

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3. Lernstile/ Lehrstile

In der amerikanischen Literatur werden Lernstile manchmal dimensional eingestuft. Zum Lernen bevorzugte Dimensionen können sein:

Wahrnehmungskanäle
Sortiert nach: mögliche bevorzugte Lernstiltendenzen
Umweltab-hängigkeit Geräusch-
empfindlichkeit
Lichtwahl bevorzugte Temperatur Raumeinrichtung
Emotionale Komponenten Motivation Ausdauer Empfänglichkeit Strukturierung Strukturiertheit
Soziologische Kriterien arbeitet mit Gleichaltrigen arbeitet lieber allein

Partnerarbeit

Team-arbeit braucht Autoritäts-person braucht Autoritäts-person und Gruppe
Physische Einteilung Ernährung Zeitbedarf/ -einschätzung/ -druck

Bewegung:
Ruhe - bewegt

 
psychologische Kriterien denkt: analytisch - global Gehirndominanz Arbeitsstil:
reflexiv - impulsiv

Wir finden hier also eine Vielzahl an Dimensionen, die beim Lernen eine Rolle spielen können.
Gehen wir exemplarisch auf einige ein:

  • Wenn wir zu den Umweltkomponenten gehen, wird klar, wenn sie sich an ihre Bedürfnisse in der Selbsterfahrungsphase erinneren, dass Ruhe versus Musik, kalt - mollig, ... alles auch von ihnen als fürs Lernen förderlich oder behindernd beschrieben wurde.
  • Bei dem Punkt Ernährung sollten sie neben den "Lernessern" auch im Auge behalten, dass einige Kinderärzte z.B. phosphathaltige Nahrungsmittel (Brühwurst, Cola, ...) in Verbindung mit Verhaltensauffälligkeiten bringen. Die heutzutag übliche Medikamentierung von Kindern bei ADHS mit Ritalin ist natürlich auch beim Lernen in der Klasse erkennbar.
  • ..

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New Trends in Learning Styles:


unter diesem Motto machte Michael Grinder ab 1990 Workshops in Deutschland. Als amerikanischer "Lehrer des Jahres" besuchte und untersuchte er viele Klassenzimmer. Dabei stellte er in Termini des Neurolinguistischen Programmierens (NLP) fest, was gute Lehrer auszeichnet. Gute Lehrer in diesem Sinne berücksichtigen u.a. die Wahrnehmungskanäle:

  • sie diagnostizieren ihren eigenen bevorzugten Sinneskanal bzw. die verwendeten Kombination.
  • sie wissen , wie sie selbst Informationen abrufen.
  • sie diagnostizieren die bevorzugten Lernstile ihrer Schüler und bieten ihnen die Informationen dementsprechend an.
  • sie erkennen, wie in Stressituationen die "Wahrnehmungsfähigkeit zusammen schrumpft" und kennen entsprechende Mittel, den Schülern aus der Sackgasse zu helfen.
  • ...

Ähnlich wie bei Vester haben wir Eingangskanäle, die nach der Wahrnehmungsqualität visuell (V), auditiv (A), kinästhetisch (allgemeine Körperempfindungen + das Haptische) (K) und Geruch/ Geschmack (olfaktorisch/gustatorisch zusammengefasst als O) eingeteilt werden. Je nach Entwicklungsstand werden n. Grinder verschiedene Kanäle/ bzw. Kanalkombinationen bevorzugt. Beim Abrufen der gespeicherten und verarbeiteten Information werden die in Sinnesmodalitäten gespeicherten Repräsentationen abgerufen. Dies kann mit der Hilfe vieler Kanäle geschehen, aber auch nur mit wenigen.
In Stressreaktionen, so Grinder, stehen weniger Kanäle zum Speichern sowie zum Abruf der Information zur Verfügung.

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UntersuchenZum Überlegen:

Führen Sie einen Lerntypentest durch und überprüfen Sie für sich:

  1. Auf welchem Kanal fiel es ihnen besonders leicht Informationen zu speichern,
  2. Auf welchem Kanal, sie schnell abzurufen?
  3. Gab es Unterschiede?

Nach M. Grinder entwickeln sich die Repräsentationssysteme im Verlauf der kindlichen Entwicklung. Dabei gibt es zeitweilige Präferenzen, aber auch kulturelle Unterschiede.

Es gibt also nicht den visuellen Typen an sich, sondern einen Menschen, der den visuellen Zugang in den und den Situationen am liebsten verwendet. Mit Erfahrung und Lebenssituation sowie auch bei Nichtnutzung einzelner Systeme ändert sich die Fähigkeit, gezielt auf die jeweiligen Sinneskanäle im geschilderten Sinne zurückzugreifen.

Leider können aber Lieblingszugangweisen nicht immer verwendet werden. Dies ist besonders bedauerlich, wenn es sich um eine Stress- oder Leistungssituation handelt. Sie werden so z.B. Mütter begegnen, die behaupten, dass ihr Kind die Aufgabe zu Hause noch ganz gut lösen konnte, aber in der Schule ....
Vielfach ist das nicht immer eine Schutzbehauptung - die Kinder konnten Daheim wirklich den Aufgabentyp bearbeiten, im Klassenzimmer - aber nicht. Entweder fehlten in KLassenzimmer die entsprechenden Hinweisreize oder andere Eindrücke (Lautstärke, Lieblingsfeind,..) überdeckten sie.

Das zustandsabhängige Lernen und Erinnern ist übrigens auch wissenschaftlich belegt: In der gleichen Umgebung, beim gleichen Geruch ( Marcel Proust ist mit seinem Roman "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" dafür ein interessanter Beleg), sind die Abrufleistungen wesentlich höher.

Mit diesen Einschränkungen im Blick lassen sich den Alterstufen n. Grinder folgende Stufungen zuordnen:

  • Bis zur 3./4. Klasse spielt das Muskelgedächtnis K eine große Rolle: Die Kinder zählen mit den Fingern, fassen alles an, berühren, suchen "Kontakt". Die Kinder, die keinen guten Zugang zu ihrem Muskelgedächtnis ( keine gute Motorik besitzen), haben , fallen auf durch: "häufiges Hinfallen, Verunfallen, Unordentlichkeit,...." auf.
    Zwar ist das Muskelgedächtnis sehr solide, wenn der Sachverhalt gespeichert ist, doch dauert die Speicherung sehr lange ( Spitzer spricht von 3000 oder mehr Wiederholungen des Bewegungsablaufs).
  • Ab 3./4. Schuljahr sind auditive Strategien häufiger: Überlagerungen mit Abzählen an den Fingern, lautem, "stillem Rechnen" bis zur Subvokalisation sind beobachtbar.
    Bei Schülern mit "Tonbandgedächtnis A " ist eine Kontrolle des auditiven Vorgangs, besonders beim Sprachen lernen, wichtig.
    Da "Inneres Vorsagen" nur nacheinander abläuft, müssen diese Schüler bei einer lauten Störung wieder von vorn beginnen.
  • Ab 3./4. Schuljahr zeichnen sich die visuellen Schüler ab: sie zeigen das gewünschte Lernverhalten, sind schnell und Haben eine besonders sorgfältige Heftführung.
    Schülern mit "Bild-/Filmgedächtnis V " gelingt es, ihm Kopf Informationen umzuordnen. Sollen solche Schüler Tast- und Fühlaufgaben oder an Diskussionen teilnehmen müssen, fühlen sie sich häufig gestört (ist zu laut, zu wenig strukturiert), unterfordert oder gelangweilt.

In der Klassensituation kann der größte Teil mit den verschiedenen Modi umgehen. Von 30 Schülern - so ein Anhaltspunkt nach M. Grinder - bevorzugen etwa 4 - 6 einen bestimmten Kanal. 2 -3 psychologische auffällige Schüler, zeigen vielleicht an, dass Verarbeitung und Abruf nicht aufeinander abgestimmt sind.

Als Konsequenz dieses Sachverhaltes bedeutet es für sie, dass sie den Großteil der Klasse mit möglichst vielseitigen (vielkanaligen) Arbeitsmitteln unterweisen. Arbeitet diese Gruppe, wenden sie sich den "problematischen" Kindern zu und unterweisen sie auf ihre Lernstrategie hin angepasst.

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UntersuchenZum Überprüfen!
Merkmale ausgeprägter Lehrstile
Kinästhetisch Auditiv Visuell
spricht eher langsam spricht rhythmisch spricht eher schnell, oft monton und hoch
bevorzugt "handgreifliche " Dinge (Handzettel, praktische Arbeit, ...) liebt Diskussionen liebt den Einsatz visueller Hilfsmittel (Tafel, TLP, Folien, ...)
liebt Schülerprojekte (Aufführungen, szenische Darstellungen, Rollenspiele, ...) liebt rhythmische Gestaltung von Texten, Musikuntermalung liebt viel Stoff und ordentliche Gestaltung
entwickelt Ideen beim Arbeiten Trägt Ideen vor/ entwickelt Ideen im Gespräch/ paraphrasiert gerne Entwickelt klare Vorstellungen/ Form und Inhalt sind wichtig
beurteilt Handlungen/ Produkte u. Prozesse der Schüler beurteilt Ausführungen/ Darstellungen/ Beteiligung beurteilt Präsentationen, möchte gern Tests/ Literatur (Schwarz auf Weiß)
kann unorganisiert wirken, zeigt aber starke Beteiligung, kann Zeit vergessen hört sich selbst gern reden/ kann gut zuhören, kann im Gespräch Zeit verlieren wirkt eher organisiert: klare Zielsetzungen, kann aber auch total von Ideen (den eigenen und den von anderen) fasziniert sein und die Zeit vergessen
reiche Körpersprache: Gestikulieren Rhythmische Körperbewegungen von der Körpersprache eher steif, Augen manchmal defokussiert

Aus der Verschiedenheit der Lehrstile und der Lernstile ergibt sich notwendigerweise das Problem der Passung:

Schüler, die z.B. einseitig auditiv ausgerichtet sind haben u. U. Schwierigkeiten, Diagramme an der Tafel zu verarbeiten. Für sie wird ein Übersetzungsvorgang notwendig:
Achten sie mal bitte darauf, wie viele Schüler bei dem Verstehen eines Diagramms die Lippen bewegen und sich selbst "laut oder leise vorsprechen". Mitschüler finden dies manchmal lästig. Lehrer könnten diese individuelle Notwendigkeit auch als Störabsicht interpretieren.


Einer Lehrkraft, die eher den großen Wurf, denn die penible Gestaltung des Tafelbildes im Auge hat, kann es denn auch passieren, dass (visuelle) Schüler das Tafelbild - auch in den nicht erwünschten Ausprägungen - kopieren. "So muss es sein! So steht das an der Tafel".
Der auditive würde vielleicht zurückfragen, während der kinästhetische gar nicht so weit kommt.

Ziel aller Anstrengungen:

Schulung der Schüler auf allen Kanälen. Nutzen der Stärken zum Abbau der Schwächen.

Zum Nachdenken!

- NLP und Auszüge aus dem Lebensrückblick eines Physikers:

Im NLP wird versucht über verschiedene Indikatoren, den Prozess des Denkens zu rekonstruieren. Mit Hilfe von sinnesspezifischen Repräsentationssystemen bzw. deren Abfolge werden Aussagen über die Art des Denkens gegeben. Diese Art des Vorgehens ist vielfach einer Kritik unterzogen worden.
Die in anderen Erklärungssystemen verwendeten Kategorien wie z.B. "abstraktes Denken oder abstrakt verbales Denken" werden in diesem Modell auf die Abfolge von Schritten in den verschiedenen Repräsentationssystemen reduziert. Zusätzliche Kategorien werden demnach abgelehnt. Gerade Pädagogen, die Verstehen als etwas besonderes - zusätzliches begreifen, lehnen daher die Vorstellungen des NLPs ab. Da dem NLP schon der Vorwurf des Sektierertums gemacht wurde, beschreibe ich hier ganz kurz, wie der Physiknobelpreisträger R. Feynman sein Denken/ Verstehen analysiert:

 

Von einer Untersuchung über das Zeitempfinden angeregt, beschließt Feynman, seine eigenes Zeitempfinden durch Zählen zu überprüfen. Nachdem er fest den eigenen Rhythmus erforscht hatte, untersuchte er im nächsten Schritt, welche Tätigkeiten er gleichzeitig dabei noch tätigen konnte. [Um auf 60 zu zählen, dies entspricht einer vermuteten Minute, benötigte er im Schnitt, mit der Uhr gemessen, 48 Sekunden.]
Bei einer Diskussion seiner Ergebnisse mit Bekannten wurde das Experiment weiter entwickelt:
Einer der Anwesenden, ein gewisser John Tukey, meinte: "Ich begreife einfach nicht, dass du dabei (beim Zählen einer Minute; H.B.) lesen kannst, begreife aber nicht, warum du dabei nicht reden kannst. Wetten, dass ich beim Zählen reden kann, und dass du dabei nicht lesen kannst." Ich erklärte mich bereit, den Beweis anzutreten, nahm ein Buch und las, während ich zählte. Bei 60 angekommen, sagte ich: "Jetzt!" - 48 Sekunden, meine normale Zeit. Dann berichtete ich, was ich gelesen hatte. Tukey war verblüfft. Nachdem wir ein paarmal seine Zeit genommen hatten, um seine Normalzeit herauszufinden, fing er an: " Mary had a little lamb, ...ich kann sagen, was ich will; ich weiß nicht, worüber ihr euch den Kopf zerbrecht..bla bla bla..." und schließlich: "OK!" Und es war genau seine Zeit!

Ich konnte es nicht fassen! Wir diskutierten eine Weile darüber und entdeckten, dass Tukey auf eine andere Weise zählte als ich: Er sah ein Band mit Zahlen vorüberlaufen, das er beobachtete, während er sagte:"Mary hat a little lamb ...". Mit einem Mal war alles klar: Er >>schaute<< auf sein ablaufendes Band, konnte also natürlich nicht lesen, während ich beim Lesen mit mir >>redete<<, also natürlich nicht sprechen konnte. ... Bei dieser Gelegenheit entdeckte ich und Tukey, dass, wenn zwei das gleiche zu tun glauben - und sei es etwas so einfaches wie zählen -, doch bei jedem im Kopf etwas anderes vorgeht.

Darüber hinaus entdeckten wir, dass man die Arbeitsweise des Gehirns von außen und objektiv testen kann: Anstatt eine Person zu fragen, wie sie zählt und sich auf ihre Selbstbeobachtung zu verlassen, beobachtet man, was sie beim Zählen kann und nicht kann. Der Test ist absolut zuverlässig. Er ist nicht zu schlagen, es gibt keine Möglichkeit zu schummeln.

R. Feynman (1988; dt. 6. Auflage 2004):
"Kümmert Sie, was andere Leute denken?"Piper, S.56 f
.

Literatur:

Grinder, M. (2003): "NLP für Lehrer." VAK
Grinder, M. (1995): "Ohne viel Worte." VAK
Vester, F. (1975) : "Denken - Lernen - Vergessen. "

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Grundkenntnisse biologischer Prinzipien über Aufbau und Funktion von Nerven- und Gliazellen sind für einen Pädagogen heute unverzichtbar. Auf die entsprechende biologische Literatur sei verwiesen.

Sehr vereinfacht können Nerven bzw. Gliazellen (früher wurden sie nur als Stütz- und Ernährungselemente für die Nervenzelle betrachtet) mit elektronischen Schaltelementen verglichen werden, die aufgenommene Reize als elektrische Impulse miteinander verrechnen.Verknuepfung


In den rund 1300 (Frauen) bis 1500 g (Männer) Hirnmasse sind bis zu 15 Millionen Nervenzellen vorhanden. Jedes einzelne Neuron ist durchschnittlich mit 1000 anderen Neuronen durch Synapsen verbunden. Die Vernetzung innerhalb des Gehirns ist so groß, dass damit die erstaunlichen Leistungen des Menschen und die Unterschiedlichkeit zwischen den Individuen im Denken erklärt werden können.

Ältere Autoren betonen stark, dass bei der Geburt mehr Nervenzellen im vergleich zu älteren Personen vorhanden sind. Durch eine anregende Umwelt, durch vielfältige Anreize, treten die noch wenig verknüpften Nervenzellen miteinander in Kontakt. Netze entstehen, das Individuum lernt.
"Feuern" zwei oder mehr sich berührende Nervenzellen gleichzeitig, entstehen mehr Verknüpfungsstellen - Synapsen (Hebb'sche Regel). Nicht gebrauchte bzw. wenig benutzte Verbindungen werden dagegen abgebaut. Dies geschieht alles unter dem Einfluss von Hormonen bzw. Transmittern.

 

Natürlich hat dieser nüchterne biologische Sachverhalt auch Konsequenzen für das Unterrichten:

Beispiel 1:

Spitzer geht z.B. davon aus, dass während der Umstellung in der Pubertät durch den Einfluss der Geschlechtshormone viele (kindlichen) Verknüpfungen abgebaut werden - der Pubertierende also in einer gewissen Weise gar nicht mehr "richtig denken" kannn. Während der Pubertät entstehen also neue Muster, die sich in dieser Entwicklungsphase konsolidieren sich. Die ursprünglich funktionierenden Bahnen, stehen aber mindestens zum Teil nicht mehr zur Verfügung.

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Beispiel 2:

Sprachpädagogen berufen sich z.B. darauf, dass die "sensible Phase" zum Erwerb von Fremdsprachen vor der Pubertät liegt.

Neuere Autoren betonen,dass das Gehirn sehr plastisch ist und je nach Anforderungsgehalt der "gestalteten Umwelt" bis ins hohe Alter lernfähig bleiben kann. Im Alter sind zwar weniger Nervenzellen vorhanden, die Netze zeigen jedoch viel engere Maschen. Jetzt können Routineaufgaben schneller abgearbeitet werden.

Bei lernfähigen Menschen - bilden sich jedoch auch im hohen Alter noch neue Verknüpfungen - ja sogar Nervenzellen. "Auch alte Hunde lernen neue Tricks".

Wenn man das Verhältnis zwischen der Anzahl der Neuronen betrachtet, die äußere Reize aufnehmen und "ins Gehirn leiten" betrachtet, fällt auf, dass die "interene Verkabelung" die Zuleitungen um mehrere Potenzen überschreitet. Dies lässt heute nur noch den Schluss zu, dass das Gehirn aus den Daten die sogenannte "Wirklichkeit" konstruiert. Das Gehirn funktioniert nicht so wie ein Fotoapparat, der auf dem Film die Lichtquellen analog abbildet.
Das Gehirn dagegen verarbeitet Impulse und formt nach den bereits vorhandenen Erfahrungen eine "Wirklichkeit", die sein Überleben ermöglicht.
Dieser auf den ersten Blick etwas seltsam anmutende Sachverhalt hat natürlich auch seine Auswirkungen auf das Unterrichten.

 

Beispiel 3:

Wenn die Lehrkraft einen Sachverhalt vermeintlich objektiv vorträgt, macht jeder einzelner Schüler aus den verschiedenen ausgesendeten Botschaften sich seinen eigen Sinn. Ist er emotional dann noch in einer emotional belastenden bzw. angenehmen Situation (Scheidung der Eltern/ Treffen mit Freunden,...) verankert, erreichen u. U. die Botschaften gar nicht seine Aufmerksamkeit.

 

Vergleiche zum Hintergrund der Aussagen dazu die Aussagen des Konstruktivismus

Einfache Lebewesen wie etwa Zecken brauchen vieles nicht zu lernen; ihre Umwelt besteht nur aus einem winzigen Ausschnitt der Wirklichkeit, und hierfür lassen sich alle wesentlichen Verhaltensparameter genetisch festlegen. Sofern Lebewesen jedoch komplexere Muster aus ihrer Umgebung extrahieren, um dadurch auch mit komplexeren Verhaltensweisen reagieren zu können, wird Lernen notwendig.
Nach der Hebb'schen Regel werden Verbindungen zwischen aktiven Neuronen verstärkt. Netzwerke werden trainiert, indem man ihnen immer wieder Beispiele der zu lernenden Input-Output-Beziehungen darbietet, dann den Input verarbeiten lässt, die Abweichung des gewünschten Resultats der Verarbeitung mit dem gewünschten Resultat feststellt und danach das Synapsengewicht so ändert, dass sich der Output dem gewünschten Output annähert." Spitzer verwendet den Begriff der "neuronalen Netze" aus der AI-Forschung (Computertechnologie) in Analogie zu den nachgewiesenen Vorgängen im Gehirn ...

Überwachtes Lernen muss langsam vonstatten gehen, damit nicht nur Einzelnes gelernt wird, sondern allgemeine Strukturen des Input gelernt werden. Dies steht in gewissem Widerspruch zum Evolutionsdruck für jeden Organismus, so rasch wie möglich zu lernen. Die Lösung des Problems besteht darin, zunächst rasch zu lernen und dann immer langsamer. Auf diese Weise werden die wahren Werte der Umweltparameter rasch und exakt gelernt.

...

Wie neuronale Netzwerke lernen auch Kinder dadurch, dass sie allgemeine Strukturen aus Beispielen selbsttätig extrahieren. Regeln werden nicht durch Predigten sondern anhand von Beispielen gelernt. Kinder müssen spielen (Hervorhebung H.Beck) , um Verhaltensweisen ohne drastische Konsequenzen ausprobieren zu können. Komplexe Handlungen, Reaktionsmuster, Sozialverhalten und die verschiedensten Erfahrungen werden so immer wieder durchgespielt und dadurch gelernt."

M. Spitzer (1996): "Geist im Netz - Modelle für Lernen, Denken und Handeln." WBG; S. 67 f.

Wer mehr zur Funktion der Nervenzellen und ihrer Bedeutung für pädagogische Fragestellungen erfahren wil, sieht unter denHinweisen und Vertiefung nach.

Links zu Neurodiaktiken:

www.neurodidaktik.de
www.schule-bw.de/unterricht/paedagogik/

netschool.de/ler/delese

Inhalt 1

Die Gedächtnissysteme

Wenn wir uns zuerst einmal klar machen, weshalb Tiere eine Gedächtnis besitzen, wird deutlich, welche Besonderheiten das menschliche besitzt.

Der Besitzer eines Gedächtnisses hat den Vorteil, dass er sich in seiner Umgebung sehr leicht zurecht findet, Fremdes vom Bekanntem und Freund von Feind unterscheiden kann. Auch beim Essen bieten sich entscheidende Vorteile: wurde z.B. eine bestimmte Nahrung gegessen, die Übelkeit verursachte, ist es es besser, diese in Zukunft zu meiden.
Ein Gedächtnis lässt also das Individuum leichter überleben, sich fortpflanzen, ... Es ist also gut, dass Erfahrungen konserviert werden, damit positive Situationen wieder aufgesucht und negative gemieden werden.

Leider besitzt die konservative Eigenschaft des Gedächtnisses beim Menschen auch unliebsame Konsequenzen:
Schmerzhafte (traumatische) Erfahrungen können beim Menschen dazu führen, Lernen zu vermeiden und uralte Situationen immer wieder nachzuerleben. Vergessen zu können und Gedächtnisinhalte so zu verändern, dass "neues Leben" wieder möglich ist, gehört mit zu den positiven Eigenschaften des reflexiven menschlichen Geistes, auch wenn dazu manchmal Hilfe notwendig ist.

Beispiel :

Sie werden Beim Unterrichten feststellen können, dass einige Schüler in der Fortschreibung eines Lehrganges an die Stelle kommen, an der sie eine Problematik durch Rückgriff auf früher erlerntes zu lösen versuchen. Die neue Methode ist ihnen nur sehr schwer zu vermitteln, weil sie die alte so gut beherrschen.
Fritz Simon
spricht als systemischer Therapeut dann davon, dass diese Dinge dann zu "entlernen" seien, (Was in den Augen der Behavioristen natürlich ein Unsinn ist)..

 

 

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a. Speichern und Abrufen

Unter den beschriebenen Voraussetzungen führen neue Reize bei Tier und Mensch zu einer ersten Orientierungsreaktion.

Beispiel :

Bei einem lauten Knall drehen wird uns in dessen Richtung. Weisen wir dem Geräusch keinerlei Bedeutung zu, haben wir ihn nach ganz kurzer Zeit vergessen. Wir gewöhnten uns ganz einfach an ihn: "Wir lernten, dass das Geräusch nichts bedeutet (Habituation)" deshalb können wir es auch später kaum beschreiben (abrufen). Das Geräusch wurde nur kurzfristig gespeichert.

Der gleiche Vorfall erhält für uns jedoch eine ganz andere Bedeutung, wenn wir ihn mit etwas Besonderem verbinden: sei es eine Erinnerung oder, dass wir gleichzeitig gegen den Laternenpfahl laufen. Der gleiche Ausgangsreiz erhält jetzt eine Bedeutungszuweisung, so dass wir ihn längerfristig erinnern. Unter Umständen reagieren wir in Zukunft auf das Geräusch besonders sensibel (Sensitivierung).

Bedeutungszuweisung


Jedoch ist nicht immer gesagt, dass das was ihr gespeichert haben, auch abgerufen werden kann. Sie kennen sicher das Phänomen: "Es liegt mir auf der Zunge" bzw. "Ich weiß es doch, kann's jetzt aber nicht sagen." Hier wird besonders deutlich, dass zum Abrufen von Informationen Hinweisreize gehören, die das Abrufen erleichtern.


encode Beispiel:

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b. Zeitliche Einteilung

F. Vester teilte das Gedächtnis nach der Möglichkeit des Abrufes in verschiedenen Zeitspannen ein.

Er unterschied das Ultrakurzzeitgedächtnis (UKZG) Abruf bis Sekunden, das Kurzzeitgedächtnis (KZG) mit dem Abruf bis Minuten, einen mittelfristigen Speicher (Stunden bis Tage) und das Langzeitgedächtnis (LZG). UKZG
Im Langzeitgedächtnis sind die Informationen Jahre bis lebenslang abruffähig. Um Informationen vom UZKG ins Langzeitgedächtnis zu bekommen, sind entweder viele Wiederholungen nötig oder aber, die emotionale Beteiligung ist sehr hoch.
Als Mechanismus der Speicherung wird die langsame Vernetzung von Nervenzellen betrachtet: "Aus elektrischen Entladungen werden stabile neuronale Netze."

Beispiel:

 

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c. Gedächtnishierarchien

Nach Art der beteiligten Systeme lässt sich das Gedächtnis in ein Gedächtnis für Handlungsaläufe und für Wahrnehmung unterscheiden. Das Motorische sowie das Perzeptive Gedächtnis wird aus verschiedenen Quellen gespeist: Handlungen d.h. muskelaktivierende Tätigkeiten versorgen überwiegend das Motorische, Sinneseindrücke das Perzeptive Gedächtnis.

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Das Motorische Gedächtnis ist stark mit Kleinhirnstrukturen, das perzeptive Gedächtnis stark mit Großhirnstrukturen verbunden.

Begriffserklärungen:

Artgedächtnis: Im Artgedächtnis liegen die Gedächtnisspuren, die sich als erfolgreich bewährt haben. Dazu zählt z.B.: die Furcht vor Schlangen.
Sensorisches Gedächtnis: Die Verarbeitung und der Abruf von Informationen erfolgt nach Sinneskanälen getrennt. Werden Sinneskanäle vermischt, spricht man von Synästhesien z.B.: Musik als Farben wahr nehmen.
Erinnerungen an Erlebnisse sind z.B.: als "Filme", "kinästhetische Wahrnehmungen" oder "Tonbänder, Selbstgespräche " im Episodischen Gedächtnis abrufbar.
Das Semantische Gedächtnis, speichert sprachliche und bedeutungsbezogene Inhalte, während das Konzeptuelle Gedächtnis abstrakte Begriffsgefüge bzw. Beziehungen zwischen Begriffen zur Verfügung stellt.

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d. Organigramm des Langzeitgedächtnis

Am häufigsten wird für den schulischen Zweck zwischen Deklarativem (Explizitem) und nicht Nicht-Deklarativem (Impliziten) Gedächtnis unterschieden. Ein genauere Darstellung erfolgt später im Kapitel "Wissen".

Gedächtnis

Wie krankheits- und unfallbedingte Ausfälle sowie die split-brain -Forschung zeigen, liefern beide Großhirnhälften spezifische Beiträge zum menschlichen Denken und Verhalten:

a. Lateralität - Steuerung

Mit wenigen Ausnahmen empfängt die linke Hirnhälfte vorwiegend Sinnesreize von der rechten Körperseite und steuert diese. Die rechte Hirnhälfte übernimmt vorwiegend die entsprechenden Aufgaben für die linke Körperhälfte. Verbindungbahnen zwischen beiden Hirnhälften ermöglichen eine Ganzkörperkoordination.

Ueberkreuzverdrahtung

Beispiel :

 

b. Hemisphärenspezialisierung - Lateralität

In vielen populären Darstellungen werden den Hirnhälften eindeutige Funktionen zugeordnet.
Sicher ist, dass viele Reize in beiden Hirnhälften gleichzeitig aber unterschiedlich verarbeitet werden. Für Höchstleistungen in Sprache, Mathematik, Musik, usw. ist zudem nachgewiesen, dass beide Hirnhälften gleichzeitig stark aktiviert sind.
Nach dem Modus der Verarbeitung (preferred cognitive modus) eingeteilt, verarbeitet die linke Hirnhälfte die Erregungen sequentiell (hintereinander) und ist auf Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge spezialisiert, während die rechte analog (gestalthaft, in Ähnlichkeitsbeziehungen) arbeitet.

Es besteht die Vermutung, dass Aufmerksamkeitsfaktoren bei der Entstehung von Asymmetrien eine wesentliche Rolle spielen. Deshalb kann sich die Lage der Funktionen durch eine unterschiedliche Lerngeschichte auch stark individuell unterscheiden.

Hirnhälften

Vermutungen:

  • "Die Ausprägung unterschiedlicher Talente könnte mit der Lateralisierung für bestimmte Verhaltensweisen zusammenhängen."
  • Bei Frauen ist die Sprachlateralisierung weniger ausgeprägt und gleichmäßiger auf beide Hemisphären verteilt. Dies führt zur größeren verbalen Flüssigkeit.
    Zudem ist die Balken bei Frauen stärker entwickelt (verbesserter Austausch zwischen beiden Gehirnhälften).
  • Bei männlichen Feten ist bereits mehr Bewegung im Uterus zu verzeichnen, deshalb entstehen später Vorteile bei räumlich-geometrischen Aufgaben. Gleichzeitig ist die Handdominanz geringer (mehr Linkshänder).
  • Weil männliche Feten häufiger mit dem rechten Ohr nach außen liegen, ist bei 2/3 der Männer die Sprache links lateralisiert.

 

Beipiel:

 

Literatur

Schmidt; Thews; Lang (28. Auflage, 2000): Physiologie des Menschen. S. 183 ff.

Das Dominanz-Konzept

Nach der gebräuchlichsten Hypothese entstand die Lateraliserung des Gehirns durch den spezialisierten Gebrauch der rechten Hand. Dies führte zu einer Dominanz der linken Hirnhälfte, d.h. die rechte Körperhälfte wird "sozusagen bevorzugt": Bei Rechtshändigkeit liegt die sprachliche Dominanz meist - aber nicht immer - jedoch in der linken Hirnhälfte.
Verschiedene, therapeutisch ausgerichtete Ansätze gehen davon aus, dass bei nicht entwickelter bzw. rechter Hirndominanz, spezifische Schul- und Lernproblematiken auftreten.

Dominaz

Fakten

  • Bis zum 4. Lebensjahr kann die linke bei Ausfall der rechten Hirnhälfte alle Aufgaben der rechten übernehmen.
  • Über die Entstehung der Lateralität gibt es keine gesicherten Erkenntnisse.
  • Die unterschiedlichen Funktionen - Händigkeit, Sprache und visuell - räumliche Darstellung - können weitgehend unabhängig voneinander sein.

Beispiel :