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Unterrichten

3.3 Das Lernen lehren

Lerntheorien / Arten des Lernens

- Vertiefung -

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Inhalt:
  1. Das Lernstufenmodell nach Robert M. Gagnés
  2. Das Stufenmodell nach Gregory Bateson
  3. ...

1. Robert M. Gagnés Stufenmodell

1.1 Kontext

Wir haben bisher nur sehr grob verschiedene Beschreibungen von Lernarten unterschieden. Gagné hat in seinem 1965 erschienen Buch: Die Bedingungen des menschlichen Lernens acht aufeinander aufbauende "prototypische Lerntypen" beschrieben. Im Vergleich zu anderen Autoren berücksichtigte er damals schon die situativen Bedingungen des Unterrichtens - nicht etwa die Bedingungen des Labors. Damit war er sich auch der Unvollkommenheit der Beschreibungen bereits bewusst.

Wenn er nun darlegt, was Lernen eigentlich ist, so macht er ganz deutlich darauf aufmerksam, dass Lernen nur erschlossen werden kann, wenn sich das Verhalten eines Schülers unterscheidet, nachdem er einer Lernsituation ausgesetzt wurde.

HinweisNach einer Unterrichtsstunde können Sie sich fragen: Was können die Schüler nach der Unterrichtsstunde neu?.

Manchmal ist die Antwort auf die Frage sehr ernüchternd.
Dies kann vor allen Dingen dann vorkommen, wenn sie das Vorwissen der Schüler falsch einschätzten oder zu wenig Inhaltliches anboten.

Doch auch dieses Kriterium kann sorgsam betrachtet werden: "Ist es wirklich so schlimm, wenn ein Schüler, der nicht am Unterricht teil nahm, die geforderte Leistung später trotzdem erbringt?

Zur Diskussion des Leistungsbegriffs vergleichen Sie bitte Kapitel 6: Leisten

Lernaenderungen

"Die Leistung allein erlaubt nicht den Schluss, dass Lernen stattgefunden hat. Man muss zeigen können, dass eine "Leistungsänderung" vorliegt. Dass eine Leistung nicht erbracht werden konnte, bevor der Lernvorgang einsetzte, muss ebenso in Rechnung gestellt werden wie die Tatsache, dass diese Leistungsmöglichkeiten später bestehen. Tatsächlich wird von den meisten Prototypen des Lernens vernachlässigt oder gar ignoriert, dass voraufgehende Leistungsmöglichkeiten bestehen. Und gerade diese Fähigkeiten sind von entscheidender Bedeutung für die Unterscheidung der verschiedenartigen, für Lernen notwendigen Bedingungen... Das Kind, das seine Schnürsenkel zu binden lernt, fängt nicht am Nullpunkt an; es weiß bereits, wie man eine Schleife festzieht,..."

Gagné a.a.O. S.27

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1.2 Prämissen der Möglichkeiten und Grenzen der Didaktik

 

  • Nicht Bücher, Hefte, Schulgebäude,... sind die Voraussetzungen für Lernen, vorausgesetzt wird der lernfähige Schüler.
  • Gleichzeitig mit dem schulischen Lernen und dessen Grenzen sind immer auch die Bedingen verbunden, die Lernbereitschaft bzw. Verhaltensbereitschaft herstellen.
    Allgemein lassen sich dazu alle erzieherischen Formen im weitesten Sinne zählen: Motivierung, Überredung und der Aufbau von Werten und Einstellungen.
Zum Nachdenken:
" Lassen wir einmal außer acht, wieviel über die Einleitung jenes Prozesses bekannt ist, der durch Lernen zu Kompetenz führt: Sicher ist, dass gegenwärtig niemand sehr viel darüber weiß, wie man diesen Prozess zu seinen höchsten Niveaustufen führt. Gegenwärtig scheint es nicht möglich, alle die notwendigen Bedingungen zu spezifizieren, um die höchsten und sehr komplexen Formen menschlicher Leistung zu erreichen, wie sie in Erfindungen oder ästhetischer Kreativität zutage tritt.

Gagné, a.a.O. S. 29F.

 

  • Bevor der Schüler einer Lernsituation ausgesetzt wird, sind die Lernbedingungen sorgfältig zu planen:
    • "Wovon geht der Schüler aus und wohin bewegt er sich?
    • Welches sind die besonderen Voraussetzungen seines Lernens, und was wird er als nächstes Lernen können?" (Gagné S. 30)
  • Lenkung des Lernens ist die wichtigste Funktion der Lehrkraft:
    • "Wie kann ein Schüler motiviert werden?
    • Wie sollte die Richtung seines Interesses und seiner Bemühungen geführt werden?
    • Was kann man tun, um die Ergebnisse des Lernens festzustellen?" (Gagné S. 31)
  • Unterrichten ist das Arrangement von Lernbedingungen bzw. von Umständen, die außerhalb des Lernenden vorhanden sind. Damit wird das Unterrichten zu einer anspruchsvollen Tätigkeit, weil:
    • es Lernsituation schafft, die gestuft sein müssen.
    • es meist nur kommunikative Mittel verwenden kann.
    • es als eine Steuerung von Gruppenprozessen erfolgt.
    • es nach dem Erwerb von Wissen, auf dessen allgemeiner Verwendung abzielt (Transfer).
  • Lernen bedarf des Einsatzes von Medien, die auf Lernprozess und Lernende abgestimmt sind.
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1.3. Arten des Lernens

Im Unterricht bauen nach Gagné die einzelnen Lernarten stufenweise aufeinander auf :

a. Signallernen (Konditionierter Reflex nach Pawlow)

Auf einen Reiz erfolgt die erlernte Reaktion. Diese Art des Lernens ist sehr allgemein, diffus und emotional.
Wenn Sie Signallernen im Unterricht erreichen wollen, dann sollten Sie folgende Bedingungen beachten:

  • Signalreiz und unbedingter Reiz (z.B. Schmerz; lautes Geräusch, ...) müssen in enger zeitlicher Nachbarschaft (ca. 0,5 Sekunden) stehen.
  • Häufige Wiederholungen und Einübungen sind notwendig.
Ueberlegen
Zum Überlegen:
  1. In welchen schulischen/erzieherischen Situationen ist diese Form des Lernens möglich?
  2. Suchen Sie für die Begriffe unterrichtliche/ erzieherische Beispiele!:
Extinktion:
Löschung der erlernten Reaktion
Interferenz:
Sind bei zwei Lernvorgängen die verschiedenen Reize zu nah, dann erfolgt eine "Vermischung" der Reaktion
Generalisierung:
Übertrag auf ähnliche Reize
Diskrimination:
Bei verschiedenen Lernvorgängen müssen die verwendeten Reize deutlich unterscheidbar sein.
Vergessen:
Einmal erlernte Reaktionen sind sehr schwer veränderbar
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b. Reiz - Reaktions - Lernen (Typ 2; Skinner, ...)

Bei diesem Lernen wird nur ein Reiz mit einer bestimmten Reaktion verbunden. Dies geschieht durch den Verstärker, der nach Ausführung der Handlung gegeben wird. Diese Bedingungen zeigen, dass diese Form des Lernens nur selten rein bei Menschen zu finden ist, denn immer sind bereits Vorerfahrungen vorhanden.

Auch diese Art des Lernens hat Bedingungen, die in der Schule zu berücksichtigen sind:

  • Der Lernende sollte motiviert sein, etwas zu lernen/ zu tun.
  • Die Verstärkung sollte unmittelbar nach der Handlung einsetzen (Prinzip der Kontiguität).
  • Der Verstärker sollte wirklich zu einer "Bestärkung" führen (empirisches Gesetz der Wirkung).
  • Der Lernzusammenhang muss wiederholt werden.
  • Zeigen sich auf einen Reiz verschiedene Reaktionen, dann wird derjenige verstärkt, der dem erwünschten Verhalten am nächsten steht (shaping).
Ueberlegen
Zum Überlegen:
  1. In welchen schulischen/erzieherischen Situationen ist diese Form des Lernens möglich?
  2. Suchen Sie für die oben genannte Bedingungen unterrichtliche/ erzieherische Beispiele!:
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c. Kettenbildung (Typ 3):
Motorische und sprachliche Ketten

Bei vielen Lernvorgängen ist es so, dass auf einen Signalreiz eine Reaktion erfolgt, dem dann anschließend der nächste Signalreiz folgt usw. Um dies an einem Beispiel zu verdeutlichen. Wenn Sie ein Kind eine Tür aufschließen will, braucht es den Schlüssel. Es überprüft ihn, wie er ins Schloss passt. Nun steckt es den Schlüssel ein. Ist er nicht vollständig eingeführt, gelingt es ihm nicht die Tür zu öffnen. Die Drehrichtung wird bestimmt, die Umdrehungszahl etc.

Das Gelingen des "komplexen" Vorgangs gelingt nur, wenn ein Glied der Kette in der richtigen Reihenfolge aufeinander folgt.

Soll dieser Vorgang nun lehrgangsmäßig erfolgen, so ist wichtig, dass die sprachlichen Instruktionen in der richtigen Reihenfolge und zeitnah erfolgen.
Übrigens: Viele Kinder, aber auch Erwachsene geben sich die sprachlichen Instruktionen laut oder leise (subvokalisierend) selbst: "Welcher Schlüssel passt, wierum muß ich ihn halten, dreh ich einmal um- es geht nicht- kann ich ihn noch mal umdrehen? ... "

Zur Kritik

In diesem Modell erwirbt ein Mensch die Fähigeit in dem das Ganze in Einzelelemente zerlegt wird, die durch instrumentelles Konditionieren erworben werden. Beispiel: Sportler schulen Elemente eine Bewegungsablaufes in der Form A verknüpfen sie nnschließend mit Element B ....

In der Psychologie der "kognitiven Wende" werden Menschen als Lernende betrachtet, die einen Gesamtplan haben (z.B. eine Eislauffigur wird als Ganzes geplant). Dieses Ganze wird dann in zu übende Teile aufgeteilt.

Auch wenn wir heute dazu neigen, diese psychologischen Betrachtungsweisen als zu stark vereinfachend - als Rattenpsychologie - zu betrachten, können wir von ihrem analytischen Vorgehen manches lernen:

Beispiel:

Betrachten wir das Lösen einer Divisionsaufgabe als Kette verschiedener Fähigkeiten:

- das Abschätzen, wie viel mal die Zahl enthalten ist

- das stellenrichtige Aufschreiben des Multiplikationsergebnisses

- die Subtraktion - ohne und mit Übertrag

- das "Herunterholen der nächsten Zahl" ....

Bei der Analyse von Fehlern kann nun erkannt werden, welches Element der Schüler noch nicht beherrscht und demnach nun einüben kann.

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d. Sprachliche Assoziationen (Typ 4)

Das Benennen ist nachGagné vermutlich die einfachste Form der Kettenbildung von Assoziationen:
Die gleichzeitige Demonstration eines Gegenstandes und seiner Bezeichnung, führt zum Spracherwerb. Neben der Wahrnehmung des Gegenstandes (bzw. komplexerer Sachverhalte) und einer damit verbundenen Aktivierung bereits vorhandener Erfahrungen, ist der nutzbare Vorrat an "Kodierungsverbindungen" entscheidend.

Beispiele:

Wird eine Fremdsprache gelehrt, ist die Geschwindigkeit des Spracherwerbs auch davon abhängig, welche sprachlichen Kompetenzen die Lernenden mitbringen.

Das Lernen des ABCs, eines Gedichtes kann als Lernen einer sprachlichen Kette verstanden werden. Ist im zweiten Fall die Bedeutung der Wörter, der Grammatik klar, ist es leichter zu lernen.

Sinnvolles Lernen

Individuen lernen und behalten umfassende Kategorien, Verallgemeinerungen und zusammenfassende Thesen, die ihrerseits das Erlernen und Behalten von spezifischen Fakten unterstützen. Selbst das wörtliche Lernen sprachlicher Ketten wird deutlich von der Existenz organisierender Prinzipien beeinflusst, die ihrerseits wieder aus früheren Lernvorgängen erinnert werden. Organisierte, sinnvolle sprachliche Information ist mit Ausnahme der einfachsten Arten für alle Lerntypen wesentlich. Sprachliche Vermittlung ist sicherlich auf engste Weise am Erlernen vieler Arten von Begriffen, am erlernen von Regeln und am Problemlösen beteiligt.

Gagné a.a.O. S. 122f

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e. Diskrimination: Das Erlernen konkreter Begriffe (Typ 5)

Nach dem nun in den vorhergehenden Schritten Elemente erlernt und dann zu immer komplexeren Ketten verbunden wurden, werden sie jetzt auf dieser Stufe nach ihren Eigenschaften hin klassifiziert. Wer Autofahren gelernt hat, kann mit der Zeit auch in verschiedenen Autotypen mit z.B. unterschiedlichen Schaltungen fahren.

Nach dem jetzt der Grundgedanken klar ist, betrachten wir die Vorgänge in der Kindheit unter dem Blickwinkel des Diskriminationslernens:

  • Differenzierung im Bereich der Raum- und Objektwahrnehmung (vergleiche auch Piaget)
  • Die Differenzierung im Bereich der Prozesse erfolgt, wenn das Kind selbst mit Gegenständen umgehen kann und sich im Raum bewegt.
  • Die Differenzierung von Repräsentationen (Bildern) und Symbolen erfolgt besonders in den ersten Schuljahren (Schriftsprach- und Mathematikerwerb
    Beispiel: verschiedenen Buchstaben werden unterschiedliche Laute zugeordnet bzw. gleichen Laute verschiedene Buchstaben-kombinationen). Im Erstleselehrgang wird diese Art des Lernens besonders wichtig.

Praxishinweise:

  • Ein Schüler beherrscht sicher selten eine komplette Kette: vielfach muss er lernen ähnliche bildhafte oder lautliche Formen zu unterscheiden.
  • Die Lehrkraft führt die Buchstaben etc. ein, so dass eine Kette entstehen kann.
  • Wiederholung als Mittel zur Festigung ist notwendig.
  • Bestätigungen sind erforderlich.
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f. Begriffslernen (Typ 6)

Um deutlich zu machen, was Begriffe sind, wiederum ein Beispiel:

Die Eltern deuten auf einen Stuhl und sagen: "Stuhl", das Kind wiederholt und wird belohnt: (Lerntyp b). Wenn es älter wird bezeichnet es verschiedene Sitzgelegenheit als Stuhl und macht einfache Aussagen über sie ( Lerntyp d). Unterscheidet es dann zwischen allen möglichen Arten der Sitzgelegenheiten - Hocker, Stuhl, Sessel, ...) und nennt Unterscheidungskriterien, dann hat es den Begriff erworben.

Praxishinweise:

  • Der Schüler besitzt z.B. einen differenzierten Wortschatz und kann deshalb verschiedene ähnlichen Dinge unterscheiden und benennen. (Dies ist wohl in Mathematik und Deutsch nicht immer gegeben).
  • Die Lehrkraft bietet zum Begriffslernenen verschiedene Beispiele zeitlich nahe an. ("verschiedene Bilder von Stühlen) und lässt die tragenden Unterscheidungen erarbeiten.
  • Neue Beispiele - Transferfragen festigen den zu erarbeitenden Begriff.
  • Rückmeldungen (Bekräftigungen) müssen sofort erfolgen .
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g. Regellernen (Typ 7)

Während beimvorhergehenden Typ des Lernens die Begriffe sich auf Konkreta bezogen, sind hier die zu erlernenden Begriffe abstrakt .d.h. sie beziehen sich auf Beziehungen. Es ist eine grundlegende Fähigkeit des Menschen, dass er aus Beispielen Regeln ableiten kann. hat er z.B. die Regel für ein langes "i" erlernt, wendet er sie bei unbekannten Begriffen an.
Wenn ein Schüler nur den Wortlaut einer Regel wiedergeben kann, nicht aber sie anwenden, dann hat er nur eine sprachliche Kette erlernt (Typ 3).

Praxishinweise:

Vorausetzungen für Lernen nach Typ 7 sind:

  • die Kenntnis aller notwendigen Begriffe (z.B. 1/8, verdoppeln; 1/4).
  • Die Lehrkraft hilft bei der Elaboration der Begriffe.
  • sprachliche Hilfen für die Regel.
  • Schüler wird aufgefordert die Regel anzuwenden.
  • Schüler beschreibt die Regel mit eigenen Worten.
  • Regeln werden als Teile einer Regelhierarchie sichtbar.

 

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h. Problemlösen (Typ 8)

Beim Problemlösen werden die bisher erlernten Regeln eingesetzt. Da sie nicht immer direkt anwendbar sind, kommt ein Schuss Kreativität mit ins Spiel.

Das Problemlösen kann im Idealfall folgend charakterisiert werden:

  1. Ein Problem wird präsentiert.
  2. Das Problem wird verbalisiert/ definiert: Der Schüler beschreibt wesentliche Merkmale der problemsituation.
  3. Hypothesen werden formuliert, die
  4. durch verschieden Verfahren/ Experimente überprüft werden.
  5. Neue Regeln werden für den Problemtyp geäußert.

Praxishinweise:

  • der Lernende kennt entsprechende Regeln, hat Vorerfahrungen.
  • Die Lehrkraft regt durch Frage den Schüler an, sich der bereits erlernten Regeln zu erinnern.
  • Die Lehrkraft gibt Hinweise, die die Denkrichtung kanalsieren, verrät aber nicht die Lösung.
  • Der Zeitbedarf ist interindividuell sehr verschieden: d.h. Zeit zur Verfügung stellen; Aufgaben für Schüler, die das Problem bereits lösten, ....
"In einem grundlegenden Sinne unterscheiden sich die durch Problemlösen erlernten Fähigkeiten nicht von jener, die durch Kombinieren untergeordneter Regeln in der Art des Regellernens erlernt wird. Beide Lernarten führen zur Entwicklung von Regeln höherer Ordnung. Sie scheinen jeweils nach Art und Umfang der Steuerung durch sprachliche Anweisungen zu unterscheiden. Beim Regellernen enthalten die Anweisungen einen Satz oder eine Frage, die sprachlich auf die Lösung hinweisen.im Problemlösen ist das nicht der Fall..."

Gagné a.a.O. S. 178

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2. Das Stufenmodell nach Gregory Bateson

 

 

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Literaturhinweis:

Gagné , Robert M. (3. Auflage 1973): Die Bedingungen des menschlichen Lernens - Beiträge zu einer neuen Didaktik. Schroedel Verlag